- Die spätmittelalterliche Stadt und ihre Bewohner
- Frühe Schützenaufgebote
- Freyschießen und Ausmärsche
- Das Reglement der Blomberger Schützen-Compagnie
- Geselligkeit und gesellschaftliche Sonderstellung
- Die Jungschützen
Die spätmittelalterliche Stadt und ihre Bewohner
Als der Blomberger Schützenvogel im Jahre 1576 das erste Mal nach Blomberg hinein getragen wird, findet er eine nach außen mit einer dicken Mauer, mehreren Mauertürmen und drei Toren befestigte Stadt vor. Innerhalb dieser spätmittelalterlichen Befestigungsanlagen führen mit dem Kurzen und dem Langen Steinweg und der Neuen Torstraße, wie auch heute noch, drei Hauptstraßen zum Zentrum der Stadt.
Bei seinem Einzug findet er an den Straßen eine Reihe von stattlichen Häusern vor, die erst in den letzten hundert Jahren errichtet worden sind. Die Häuser zeugen von einer Phase des Wohlstandes, die wenige Jahre nach der völligen Zerstörung der Stadt in der Soester Fehde im Jahre 1447 einsetzte. Zurückzuführen ist diese Entwicklung nicht zuletzt auf die in den 1460er Jahren einsetzende Brunnenwallfahrt, die einen wirtschaftlichen Aufschwung brachte.
Auf dem Marktplatz angekommen findet er allerdings noch nicht das heutige Rathaus, sondern einen Vorgängerbau vor. Dieser wurde zehn Jahre später niedergelegt, um dem heutigen, mit seinen drei Giebeln den Marktplatz beherrschenden Bau Platz zu machen. Als stadtbildprägende Gebäude sind die Martinikirche in unmittelbarer Nähe des Rathauses, die über dem vermeintlichen Wunderbrunnen erbaute Klosterkirche und natürlich die Burganlage schnell auszumachen. Die Burganlage hatten die lippischen Edelherren gegen Ende des 12. Jahrhunderts oberhalb einer wichtigen Fernstraßenkreuzung errichten lassen. Die Stadt war dann mit ihren vier Stadtvierteln (Rossmüllerviertel, Brinkviertel, Winkelviertel, Großes Viertel) im Schutz der Burg planmäßig angelegt worden.
Zur Zeit seines ersten Einzuges findet der Schützenvogel in etwa 300 Häusern wohl gut 1.500 Menschen vor. Diese ernähren sich von Handel und Handwerk oder verdingen sich als Tagelöhner. Beinahe alle bebauen außerhalb der Stadt je nach Vermögen ein größeres oder kleineres Stück Land und halten ebenfalls je nach Vermögen Ziegen und Schweine oder Kühe und Pferde.
Das wirtschaftliche Leben in der Stadt ist stark durch die in Lippe Ämter genannt, geprägt. Die Kaufleute, Krämer, Bäcker, Schmiede, Leineweber, Zeugmacher, Schreiner und Schuhmacher hatten sich in Blomberg in herrschaftlich genehmigten Ämtern zusammengeschlossen und nehmen als privilegierte Zünfte am politisch – gesellschaftlichen Leben teil. Die wichtigsten Gremien städtischer Selbstverwaltung sind zu dieser Zeit der kleine, regierende Rat mit dem Bürgermeister an der Spitze und der Große Rat. Der Große Rat wiederum setzt sich aus den die Stadtviertel vertretenden Bauermeistern, den die Ämter vertretenden Meintherren und dem stillsitzenden Rat zusammen. Der stillsitzende und der regierende Rat wechseln sich jährlich ab. Da die Baumeister und die Meintherren vom regierenden Rat ernannt werden und dieser sich selbst durch die Ernennung neuer Mitglieder ergänzt, ist hier das Zentrum städtischer Entscheidungen auszumachen, das in der Regel von wenigen, wohlhabenden Familien dominiert wird.
Voraussetzung für die vollwertige Teilhabe am gesellschaftlichen Leben ist der Erwerb des Bürgerrechts. Das wiederum ist an die Volljährigkeit und den Erwerb von Haus- und Grundbesitz gebunden. In der Regel liegen die Übernahme des väterlichen Besitzes, der Eintritt in die entsprechende Zunft, die Hochzeit und der Erwerb des Bürgerrechtes zeitlich eng zusammen. Frauen, Männer ohne Haus- und Grundbesitz und auch Juden sind vom Bürgerrecht ausgeschlossen.
Die formale Aufnahme in die Bürgerschaft erfolgt durch die Ablegung des Bürgereides. Darin heißt es unter anderem:
„Zum vierten, dho Ir hören einen klockenschlagh wegen feurs oder feindts nott, daß Ihr dan gefast zur Zeit der feurs nott mit einem leddern emmer, in feindts sachen aber mitt eurer rustungh, darauf ir gesezt, euch einstellen und nach allem vermugen dem unglück vorbauwen helfen, wie dan auch euwern mittburgern in vorfallenden nöten erretten und in befuegten suchen beistand leisten wöllen.“
Der neue Bürger verpflichtete sich also, bei Feuer mit einem ledernen Eimer (leddern emmer) und bei feindlicher Bedrohung mit der entsprechenden Rüstung (rustungh) zur Stelle zu sein. Er verpflichtete sich somit auch zum Schützendienst.
Frühe Schützenaufgebote
Aus den alten Unterlagen ist nicht mehr ersichtlich, wie das Schützenwesen in Blomberg in seiner frühesten Zeit organisiert war. Es ist nicht überliefert, ob bei feindlichen Angriffen die Bürger wie etwa in Lemgo oder in anderen westfälischen Städten, nach den Zünften geordnet jeweils einen Abschnitt der städtischen Befestigungsanlagen zu verteidigen hatten. Noch heute heißen solche Wallabschnitte Kaufmannswall, Krämerwall, Bäckerwall, usw. Für Blomberg ist wie für andere, vergleichbare kleine Städte die Einteilung nach Stadtbezirken bzw. Stadtvierteln wahrscheinlicher. Auch über die Art der Bewaffnung (rustungh) haben wir keine genauen Informationen. Einen Einblick gibt jedoch ein Verzeichnis von Gegenständen, die sich im Jahre 1514 auf dem Rathaus befanden. Darin werden an Waffen genannt: 19 Hakenbüchsen, 5 Handbüchsen, 4 Knipbüchsen mit 8 Pulvertaschen, eine Armbrust, 21 Lanzen, 4 Hellebarden, 18 Flintrohre und 8 Faustrohre. Wie man sieht, hatten auch in Blomberg die Büchsen oder Feuerrohre die Armbrust als wichtigste Distanzwaffe der Schützen bereits abgelöst.
Wenn wir auch nicht genau wissen, wie die Blomberger Schützen in ihrer frühesten Zeit organisiert und bewaffnet waren, so haben wir doch eine ganze Anzahl schriftlicher Belege dafür, dass sie an militärischen Aktionen beteiligt waren. 80 nahmen im Jahre 1556 neben Horner und Salzufler auch Blomberger Schützen an der Rietberger Fehde teil. Wir erfahren davon allerdings erst gut 40 Jahre später, als der lippische Edelherr Simon VI. die lippische Ritterschaft und 100 Schützen aus den Städten an die Grenze zu Paderborn beorderte. Bei der Musterung der Schützen aus Lemgo, Horn, Blomberg und Salzuflen kommt es in Lage zu einem Zwischenfall. Die Horner und Blomberger Schützen hatten wohl das Signal zum Aufbruch verpasst und fanden, als sie verspätet auf dem Abmarschplatz eintrafen, die Salzufler bereits an zweiter Stelle hinter den Lemgoer Schützen angetreten vor. Da die Horner und Blomberger bisher aber immer den Vorrang vor den Salzuflern gehabt hatten, kam es zunächst zu Wort- und Faustgefechten und schließlich zu einer Schießerei. Als die Salzufler daraufhin mit 5 Talern pro Mann bestraft werden, protestieren diese und führen für sich ins Feld, dass sie 1556 vor Rietberg Leib und Leben riskierten, während die Horner und Blomberger die Geschütze verlassen hätten. Ihnen stehe daher der Platz hinter den Lemgoern durchaus zu.
In den 1590er Jahren ergehen mehrmals Aufforderungen an die lippischen Städte, Schützen für das Landesaufgebot zu stellen. 80 fordert Simon VI. im Januar 1591 die Stadt Blomberg auf, unverzüglich die schon vorher angeforderten Schützen zu schicken, und im Mai desselben Jahres müssen die Städte Lemgo, Blomberg, Horn, Salzuflen und Detmold jeweils 60 Schützen stellen. Da man das Lippstädter Kontingent nicht erhalten kann, wird es auf die anderen Städte verteilt. Blomberg muss zusätzlich 9 Schützen stellen. Im Herbst desselben Jahres ergeht dann noch die Aufforderung an Blomberg wegen „fremde(r) Kriegsvölker zu jeder Zeitt aufn Glockenschlagh bereit (zu) sein.“ Im Jahre 1594 mussten die Städte jeweils 15 Schützen nach Oerlinghausen und im nächsten Jahr das bereits erwähnte Aufgebot von 100 Mann an die Paderborner Grenze schicken. Diese sicherlich nicht vollständige Aufzählung verdeutlicht, dass die Blomberger Bürger nicht selten auch für den Landesherrn Schützendienst leisten mussten. Und die Aufzählung zeigt auch, dass die Stadt Blornberg durchaus in der Lage war, 50, 60 oder auch 70 Schützen zu stellen.
Freyschießen und Ausmärsche
Um die Wehre, Büchsen, und Rohre sicher handhaben und bedienen zu können, bedurfte es natürlich der regelmäßigen Übung mit diesen Waffen. Festliche Höhepunkte dieser Übungen waren die sogenannten Freyschießen. Der lippische Landesherr und die Städte und Flecken veranstalteten solche Schießen in unregelmäßigen Abständen und luden dazu nicht selten mittels eines gedruckten Einladungsschreibens nicht nur die Ritterschaft und die Schützengilden der anderen lippischen Städte ein. Die Einladungen gingen auch über Lippe hinaus bis Warburg, Paderborn, Soest, Hameln, Einbeck und bis nach Kassel.
Da die Einladung der Stadt Blomberg zu einem Freyschießen am 24. Juni 1604 einen interessanten Einblick in den Ablauf eines solchen Schießens bietet, soll sie hier in vollem Wortlaut wiedergegeben werden:
„Wir Burgermeister und Rath der Stadt Blomberg, in der loblichen Grafschafft Lippe belegen, empieten allen und jeden dieses unsers Außschreibens Ansichtigern, was Würden, Ehren oder Wesens die sein, insonderheit auch allen Schützenmeistern und Schießgesellen, nach Stundts Gepühr; unsere underthenige bereytt – und freundtwillige Dienste, auch alles Gutes zuuor, und fügen hiemit zu wissen.
Demnach unsere Schützen und Schießgesellen, zu uielmahln bei andern benachbarten erbarn Stetten zum Freyschissen beruffen und gewesen, auch denselben ein Krentzlein zu Anrichtung ein gleichmessiges Schießspiel offerirt worden. Dem nachparglichen Folge zu thun, haben wir angezeigte Schützengeselschafit am Tage Johannis Baptistae, wirt sein der 24. Tag ]unii stylo veteri angeordnet, das sothane nach geendigter Predigt umb zwey Uhr angefangen und die nachfolgende Tage continuirt werden soll. Welche nun Lust und Gefallen haben, solchem Exercitio beyzuwohnen, und umb einen feysten Ochsen von achzehn Taler Gewerde mit Handtbüchsen oder Scheibenröhren, sie sein geschrunden, gewunden, gereiffet oder nicht, im gleichen mit Stein oder Schwammen, als Freyschiessens recht ist zu schiessen, soll einem jedem ein freyer Zutritt dazu vergunnet sein.
Und soll derselbe Ochse für das beste Gewin und Kleinodt gehalten, und welcher Schütz umb sothamen Ochsen schissen wol, soll darauff vier und zwentzig Mariengroschen einzusetzen verpflichtet sein. Darab den die anderen gemeinen Gewinste nach Rath der Siebener gemacht werden sollen.
So soll auch ein jeder Schütz zu all solchem Schiessen in drei unverserte schwebende Scheiben funfzehen Schüsse zu thun bemechtigt sein. Welche Scheiben in die Breyte vom Nagel anderthalbe Elen haben und von Stande 210 Elen. Die Scheiben aber von einander 25 Elen gestellt werden sollte, wie dan die Maß der halben Elen hirunter verzeichnet.
Und welcher Schütz die meisten Schüsse einschiessen und respective im Stich sich am besten vorhalten und wirt, dem soll der obgemelte Ochse gegeben werden. Ferner soll ein jeder Schütz redtlich schiessen mit abgelegter Wehr und ausgestreckten Armen, ohne allen Vortheyl und Finantzerey, wie Schiessens recht ist, die gedachte funffzehn Schüsse thun, dabei ronte und keine geschwentzte verbottene und unzulessige Kugeln gebraucht werden sollenDamit nun all solch berürtes Schiessen seiner Art und Gelegenheit nach, wie gebreuchlich gehal ten und vollnzogen werden müchte, so sollen zu Anfang desselben zwen von den unsern und fünf auß den Frembden, so Schiessens erfahren, zu Siebenern erwehlet werden, welche alle Irrung und Gebrechen, so in bemelten Schiessen vorfallen müchten, zu entscheiden bemechtigt sein.
Es sollen aber vier von den unsern wegen angewandter Mühe von dem Einsatz gefreyet sein, und gleichwohl zu Schiessen Macht haben, und soll keiner schiessen, es sey den sein Rohr zuuor von den verordneten Siebenern besichtigt und gestempelt. In Summa soll sich ein jedermann in seolchem Schiessen dermassen verhalten, wie Schiessens Recht und Gewohnheit ist. Und hirinnen nach der Lenge alles nicht gesetzet, aber von den Siebenern ferner verordnet und publicirt werden kann.So soll auch fünff Thaler Gewinste zu dem Krantze gegeben, und alßdan auch der Heuptschiessens nichts erhalten zweyn Groschen einlegen, etzliche Gewinste nach Rath der Siebener davon zu machen, wie sonsten in dergleichen Ritterschiessen ob und breuchlich.
So wirt man auch umb einen Ochsen von zimlichen Gewerde einen freyen Schießplatz daneben angerichtet finden. Wer darzu geneigt mag sich dahin erfügen und für einen jeden Worff einen Fürstengroschen einsetzen und seines Glücks erwarten. Wer die beste Gewinste in gemein erlangen wirt, sol von jederm Thaler zweyn Groschen zu Ablehnung Schreiber, Zeiger und Botten herausser zu geben verpflichtet sein. Sonsten wirt man auch von Zinnenwerk uns allerhandt Waren Spielboden zugerichtet finden, darbey sich ein jederman nach seinem Gefallen exerciren und gebrauchen kann. Allen ankommenden Schützen soll um ein zimlich Geldt Herberg und Kost gestattet und gefolget, auch nach geendigtem Schießspiel ein Krantzlein von unsern Schützen, wie gebreuchlich außgetheylet und ein Mahlzeit oder fröhliche Beysammenkunfft umb zimlich Gelt zugerichtet und gehalten werden.
Ersuchen demnach wegen angezeigter unser Schützen, alle und jede so hirzu Lust haben, die wollen unbeschwert sein, auff vorgemelten Tag und Zeit allhie anzukommen, das Werck vollnziehen zu helfien, auch hin und wider andern benachbarten Schützen und Schießgesellen, denen wir es nicht alle zu schreiben können, sothanes kundt und zu wissen thun, die sie dan alle ausserhalb als obstehet und nachfolgt anzunehmen willig sein.
Es soll auch allen und jeden Schützen und Schießgesellen, so allhie ankommen werden, in dieser Stadt und Bottmessigkeit frey sicher Gelayd an und abzuziehen hiemit gegeben und zugeschrieben sein, außbescheiden denen, so jegen hochgemelten unsern gnedigen Landtßherrn und uns Burgermeister; Rath und Gemeinheit dieser Stadt Blomberg sich vorgriffen und noch unversöhneter Handtlung stehen (Jedoch das sich ein jeder auch geleytlich verhalten soll). Sein dero Zuversicht, es werden sich unser Schützen und Schießgesellen hirinnen guttwillig erzeigen und finden lassen.
Urkundlich haben wir Burgermeister und Rath obgedacht auff dienstlich Ersuchen unser Schützen und Schießgesellen diesen Brieff außgehen und mit auffgedrucktem unserm Statt Secret befestigen lassen. Der geben nach Christi unsers Erlösers Geburt, im sechßzehen hundert und vierten Jahre, am 28. Tag Monats Maii.“
So erfahren wir, dass mit Handtbüchsen und Scheibenröhran, seien sie „geschrunden, gewunden geraffet oder nicht“, mit runden (ronte), nicht jedoch mit geschwentzte Kugeln geschossen wurde. Jeder durfte 15 Schüsse auf drei unversehrte, schwebende Scheiben abgeben. Die Scheiben standen in einer Entfernung von 210 Ellen (ca. 122 Meter) und hatten einen Durchmesser von 3 Ellen ca. (1,8 Meter). Festgestellt wurde das Schießergebnis von einem dazu gewählten siebenköpfigen Gremium, den Siebenern. Jeder Schütze musste 24 Mariengroschen als Startgeld geben, konnte dann aber, wenn er der beste Schütze war, einen feysten Ochsen im Werte von achtzehn Taler sein Eigen nennen. Neben diesem gleichsam offiziellen Schießen gab es auch eine Art Vergnügungsschießen, wo jeder gegen Einsatz eines Fürstengroschens ebenfalls „umb einen Ochsen von ziemlichen Gewerde“ (Gewicht) schießen konnte. Und dass ein solches Freyschiessen immer auch ein Volksfest war, verdeutlicht die Ankündigung, dass man „allerhand Spielboden (Spielbuden) zugerichtetfinden“ wird. Beginnen sollte das Schießen „nach geendigter Predigt umb zwey Uhr“ und dann auch „die nachfolgende Tage continuirt (fortgesetzt) werden“.
Johannes Piderit berichtet in seiner wenige Jahre später gedruckten lippischen Chronik über dieses Freyschießen:
„Blumbergisch Freyschiessen
Anno 1664 den 24 Juni war Johannis Baptistae Tag, setzten die Blumbergische Bürger ir Freyschiessen an, damit aber andern Landen auch solches kundig wurde, haben sie lang zuvor gedruckte Patent an andere OerIer assigiren und anschlagen lassen. Auf welches Erfordern zu bestimpter Zeit ankommen sein die Edle und Unedle im Land. Sein frembde Schützen von Cassel und Soist, von der Stadt Lipp, Paderborn, Corbey, Hameln, Einbeck unnd andern Orten erschienen und sich die Gesellschaft gefallen lassen.
Zudem haben diß Freyschiessen acht hohe Personen mit ihrer Gegenward gezieret, als Graff Simon der Jünger, Graf Oitho und Graf Herman, Gebrüder und Edle Herrn zur Lipp. Ferner fünf Grafen von Styrum und Limburg. Diese acht Gräfl. Personen haben mit ihrer Gegenwart das Freyschiessen gezieret.“
Von einem Blomberger Freyschießen aus dem Jahre 1658 ist noch die Schießliste erhalten, die uns genaue Auskunft über die Teilnehmer und deren Schießergebnisse gibt. Nach gesellschaftlichem Stand getrennt sind in der Liste Ihre Gnaden Graf Moritz von der Lippe, sechs Schützen von der Ritterschaft und insgesamt 79 Schützen aus Blomberg (15 Schützen). Detmold (10), Lemgo (8), Horn (9), Salzuflen (5), Schwalenberg (6), Paderborn (12), Hameln (6), und sogar Kassel (2) und Göttingen (6) verzeichnet. Wenn dieses Schießen offenbar auch nicht so hochkarätig besetzt war wie das von 1604, so ist die Teilnehmerzahl zudem aus solch entfernt liegenden Städten wie Kassel und Göttingen zu diesem Zeitpunkt doch bemerkenswert. Immerhin ist der Dreißigjährige Krieg, in dem weite Landstriche verwüstet worden waren, gerade erst zehn Jahre vorbei. In Blomberg war die Einwohnerzahl während des Krieges von 1.640 auf 675 dramatisch gesunken. Von den im Jahre 1610 in Blomberg vorhandenen 310 steuerpflichtigen Häusern waren nun 95 völlig zerstört.
Wie die Schießliste verrät, hatte wie im Jahre 1604 jeder Schütze 15 Schuss verteilt auf drei 3 Scheiben. Als bester Schütze erwies sich mit 12 Treffern im Schwarzen, 2 Treffern im Weißen und einer ‚Fahrkarte‘ des Landdrosten Jäger Behrendt aus Horn. Die beiden herrschaftlichen Teilnehmer erwiesen sich ebenso wie die von der Ritterschaft als eher durchschnittliche Schützen. Und die Schießliste verrät auch, wo die Freyschießen damals stattfanden. Auf dem Deckblatt der Liste ist vermerkt: „Geschehen auf dem Flachsmarkt, am Ziegelhause herschießent.“ Die Flurbezeichnung ‚Flachsmarkt‘ zwischen Schmuckenberger Weg und Königswinkel ist auch heute noch gebräuchlich.
Eine ganze Anzahl erhaltener Einladungsschreiben aus den ersten zwanzig Jahren nach dem Dreißigjährigen Krieg zu Freyschießen in Lage (1653 und 1666), Detmold (1655), Lemgo (1656), Warburg (1661), Schwalenberg (1663), Barntrup (1664) und Paderborn (1664) belegt, dass die Schießen – wenn auch nicht regelmäßig – so doch mit einer gewissen Kontinuität bei den Städten und Flecken umlaufend abgehalten wurden. Der ‚Kranz‘, so nannte man es damals, wurde von Stadt zu Stadt und von Flecken zu Flecken weiter gereicht. Dass diese Feste immer auch allgemeinen Vergnügungscharakter hatten, wird auch an der Einladung zu einem Freyschießen nach Lage im Jahre 1686 deutlich. Darin heißt es: „Endlich so wird man auch umb einen feisten ohntadelhafften Ochsen und einen freyenSpielplatz und Spielboden, auch andere mehr lustige und kurzweilige Spiele zu und angerichtet finden.“
Der absolutistischen Landesherrschaft, hier in Person des lippischen Grafen, waren die festlichen Ausschweifungen ihrer Untertanen allerdings ein Dorn im Auge. So wird in der Policey-Ordnung aus dem Jahre 1620 wohl das Scheibenschießen erlaubt, „jedoch zu keinem anderen Ende, denn daß die Untertanen mit Röhren sich gefasst machen und dieselbe zu gebrauchen sich angewöhnen.“ Das Schießen sollte also nur zur Übung mit der Waffe dienen. Die immer wieder erneuerten Edikte gegen die festlichen Ausschweifungen belegen jedoch die nur beschränkte Wirksamkeit dieser Anordnungen.
Neben den Freyschießen mit überörtlicher Beteiligung gab es für die Blomberger Schützen zu jener Zeit offenbar zwei feste Termine im Jahr. In einem Schriftwechsel des Jahres 1594 ist überliefert, dass sich die Blomberger Schützen regelmäßig zu Laetare, dem 4. Fastensonntag, und am Tage nach Pfingsten versammelten. Alte Stadtrechnungen geben den Hinweis, dass am 4. Fastensonntag die Waffen und sonstigen Ausrüstungsgegenstände auf ihre Funktion hin geprüft wurden. Am ‚dritten Pfingsttage‘ wurde alljährlich ein Ausmarsch durchgeführt und außerhalb der Stadt der beste Schütze ermittelt. Daß es bei der Überprüfung der Waffen und den Ausmärschen immer auch ‚feucht und fröhlich‘ zugegangen sein muss, verdeutlicht eine Notiz aus dem Jahre 1609. „Anno 1609. Dingstages in den Heiligen Pfingsten sein die sämptlichen Schützen bieinder (beieinander) gewesen ihre Zusammenkunft gehalten. Is an behr (Bier) verzehrt 14 Thone (Tonnen), die Thone 1 Taler 6 Groschen. … Noch 1 Daler 9 Groschen, wann Scheffere, Schützenmeister und Rottmeister vor und an verzehrt, wenn die wehre (Waffen) besichtigt worden. … Dem Spielmann geben 1 Daler.“
Mit den Freyschießen haben wir die allgemeinen Vorläufer der heutigen Schützenfeste vor uns, mit den Ausmärschen die Vorläufer des jeweiligen örtlichen Schützenfestes.
Amtliche Aufgaben
Außer zu militärischen Aufgeboten für die eigene Stadt und den Landesherren hatten die Schützen auch dann zur Stelle zu sein, wenn – wie es im Reglement der Blomberger Schützen aus der Zeit um 1800 allgemein heißt – der „Löbliche Magistrat dieser Stadt die Schützen in vorkommenden Fällen uerlanget.“ Was mit solchen vorkommenden Fällen gemeint sein konnte, verdeutlicht ein Vorfall aus dem Jahre 1766. In einem Schreiben des Magistrats heißt es: „Als die hiesige beyde Bürgere und braunschweigische Musquetier Friedrich Heringlake und Christoph Heithecker in des Gastwirts Pustkoken Hause sich auf dem Jahrmarckt mit einem Holländischen Reuter (Reiter) gantz und gar bezechet und beyde erstere letzteren auf öffentlicher Straße mit Stockschlägen sehr übel misshandelt, dergestalt, daß jederman einen Ekel und Abscheu an diesem Betragen genommen. So ist um Ruhe und Frieden zu stiften der Bürgermeister dadurch veranlasset worden, ein Rott Schützen aufbieten zu lassen und sowohl ged(achten) Heringlaken als den Heithecker nebst dem Holländischen Reuter in Arrest zu nehmen.“ Diese waren aber zunächst nicht gewillt, sich der Übermacht zu beugen, sondern „opponieren sich beide denen Schützen, ziehen sogar ihre Seitengewehr und dräuen (drohen) den ersten, so sie angreifen würden, darnieder zu säbeln. Sie „pochen und trotzen auf das aller äußerste, und ist dabei der Musquetier Heringlake so kühne und dutzet nicht nur den Bürgermeister; sondern führet sich auch in seinen Reden so unverschämt auf, daß alle die zugegen, darüber in Erstaunen gerahten. Erst als noch ein weiteres Rott Schützen hinzugezogen wurde, gelang es, „jene verwegenen und in der größten Trunkenheit verfallene Bürgere benebst dem Holländischen Musquetier ihr Seitengewehr ab (zu) nehmen und sie in Arrest (zu) bringen.“
Zu diesen – aus heutiger Sicht – polizeilichen Aufgaben, bei denen durchaus die Gefahr bestand, ‚niedergesäbelt‘ zu werden, gehörte auch die gerichtliche Vorführung von Gefangenen oder Verdächtigen und die Festnahme von gesuchten Personen. So erreichte den Blomberger Bürgermeister im September 1768 das Ersuchen, den aus Blomberg stammenden und aus einem Bielefelder Regiment desertierten Bürger Heithecker festzunehmen. Den dazu aufgebotenen Schützen gelang das jedoch nicht: „Obwohl nun der Bürgermeister sich nach Einlangung obigen Rescripts (Schriftstückes) eines halben Rotts Schützen zu versichern getrachtet, so hat dieser dennoch, ehe die Schützen die Haustür geöffnet bekommen, über seinen Boden, welcher an die Stadtmauer schließet, die Flucht gewonnen und sich davongemacht.“ Es mag auch sein, dass die Blomberger Schützen ihren Mitbürger nicht unbedingt ergreifen wollten.
Zudem hatten die Schützen alljährlich bei den Ratswahlen und an Markttagen Wachen am Rathaus und an den Stadttoren zu stellen. An Markttagen hatten sie auch den Auftrag, für die in die Stadt eingeführten Waren und das aufgetriebe Vieh die Accise (Steuern) zu erheben und bei den Ratswahlen durch ihre Präsenz für Ruhe und Ordnung zu sorgen.
Für die städtische Obrigkeit in Form des regierenden Rates und des Bürgermeisters waren die Schützen somit das wichtigste Instrument zur Durchsetzung ihrer administrativen Macht.
Außer zu diesen herrschaftlichen Aufgaben wurden die Schützen aber auch zur Repräsentation bei hochoffiziellen Anlässen herangezogen. So waren auch Blomberger Schützen dabei, wenn Städte und Ritterschaft dem Landesherren zu besonderen Anlässen in Detmold ihre Aufwartung machten, oder wenn der Landesherr in Blomberg selbst die Huldigung der Stadt entgegen nahm. So auch im Jahre 1790, als der lippische Fürst Friedrich Wilhelm Leopold ankündigte, die Huldigung von Ritterschaft und Städten und „von den übrigen Ratsmitgliedern und Bürgerschaft unserer Städte der Observanz und ihrer Schuldigkeit gemäß … als unserer angebohrenen Untertanen und ohnehin schuldigen Treue und Devotion“ in Blomberg entgegenzunehmen. Der Blomberger Bürgermeister wurde nach Detmold zitiert und dort mit der Instruktion versehen, „daß etliche vom Magistrat den Fürst beim Schlagbaum mit einem Bewillkommnungs Compliment empfangen, ohngefähr des Inhalts, daß die Bürgerschaft darüber erfreut sei, daß Hochserenissimi in eigener Person die Huldigung einnehmen wollte.“ Eine entsprechende Formulierung gelang dem Bürgermeister dann auch wirklich, und die Jungschützen standen von der Brücke über die Distel bis zum Niederen Tore Spalier, während die ‚alten‘ Schützen und die übrigen Bürger den Langen Steinweg säumten. ‚Der Fürst fuhr in seiner Kutsche, gefolgt von den Schützen, zum Marktplatz hinauf, wo diese dann einen Halbkreis von Rathausecke zu Rathausecke bildeten. Nach entsprechenden Reden setzten die Schützen den Schlusspunkt: „Darauf wurde das vivat vom Schützen Lieutenant Steiger ausgebracht und damit der Actus geschlossen.“ Nach dem Festmahl mit geladenen Gästen auf dem Rathaussaal geleiteten die Schützen den Landesherren auch bei seinem Auszug aus der Stadt: „Die Compagnien waren wie vorhin postiert, jedoch die Junggesellen in der Stadt und welche darauf seine Durchlaucht zum Thor hinaus mit voller Musik begleiteten.“
Das Reglement der Blomberger Schützen-Compagnie
Schon die Betreuung mit militärischen und polizeilichen Aufgaben weist darauf hin, dass die Blomberger Schützen früher kein Verein im heutigen Sinne waren. Die Mitgliedschaft beruhte nicht auf Freiwilligkeit sondern ergab sich aus der mit dem Bürgereid übernommenen Pflicht zum Schützendienst. Und das Verhältnis zwischen Schützen-Compagnie und Stadt war geprägt durch die Weisungsbefugnis der städtischen Autoritäten gegenüber der Compagnie. Auf dem Hintergrund dieses grundsätzlichen Verhältnisses wurde den Schützen dann durch herrschaftlich gebilligte Statuten auch ein gewisses Eigenleben zugesichert.
Das älteste erhaltene Blomberger Schützenreglement aus der Zeit um 1800 gibt Aufschluss über ‚äußere Rahmenbedingungen‘ und ‚innere Verfassung‘ der Blomberger Schützen.
„Reglement der Schützen Compagnie der Stadt Blomberg
1. Die Schützen Compagnie bestehet in 1 Capitain, 1 Lieutenant, 1 Fendrich, 2 stehenden Scheffern, 9 Rothmeister und in jeden Roth 12 Mann.
2. Wenn der gnädigste Landes Herr durch ein Aufgeboth oder ein Löbliche Magistrat dieser Stadt die Schützen in vorkommenden Fällen verlanget, so sind sie schuldig und verpflichtet vermöge ihrem Bürger Eide gemäß mit ober und unter Gewehr an den Ort und Stellen wozu sie beordert werden zu erscheinen.
3. Bemeldte Schützen sind schuldig, ihren Vorgesetzten gehorsamlich zu folgen.
4. Weil es von der Schützen Compagnie einmüthig fest gesetzt, daß wenn ein Schützenbruder verstirbt und er die Leichenbegängniß verlanget hat, soll er schuldig und verpflichtet sein, mit der Leiche zu folgen und ohne Urlaub von dem Herrn Capitain zu nehmen nicht zurückbleiben.
5. wenn ein Schützenbruder frevelhaft oder sonst nicht gehorsamlich bezeige, so haben die Officiere Macht, willkührlich zu bestraffen oder nach dem Befinden zu verabschieden.
6. Wenn ein Schützenbruder seinen Abschied begehret und die Officiere den Umständen nach es gut finden solchen zu geben, muß an die Compagnie zahlen 3 Reichsthaler.
7. Wenn einer zum Capitain gesetzt wird, gibt er in allem 6 Reichsthaler, zum Lieutenant 4 1/2 Reichsthaler, zum Fendrich 3 Reichsthaler, zum stehenden 3 Schäffer Reichsthaler. Ein Rothmeister gibt seinem Rott zum Besten Tobak und Branntwein, ein neuer Schützenbruder gibt an die Compagnie 27 Groschen.
8. Die Schützen Compagnie, wenn sie jährlich ihren Ausmarsch halten, bekommt wie hergebracht von der Stadt Blomberg zur Zehr zehn Thaler, zu den Gewinnen einen Thaler. Auch wird der Hut, so der Schützenkönig erhält, von der Stadt bezahlt. Und wenn sie ihren Ausmarsch das Jahr nicht halten, bekommt die Schützen Compagnie für jedes Jahr fünf Thaler.“
In den Punkten 2 und 6 werden zunächst die Weisungsbefugnisse des Landesherrn und der Stadt deutlich. Dass es sich bei diesen Bestimmungen keineswegs nur um Floskeln handelte, machte Graf Simon VI. deutlich‚ als sich die Salzufler Schützengesellschaft aus Verärgerung über ihre Bestrafung für die Vorkommnisse in Lage in Jahre 1595 selbst auflöste. Simon VI. akzeptierte die Auflösung nicht und befahl, die Schützengesellschaft wieder zu errichten. Und in Punkt 6 wird auch deutlich, dass ein Schütze keinesfalls aus freien Stücken aus der Compagnie ausscheiden konnte, sondern nur, wenn „die Officiere den Umständen nach es für gut finden.“ Zudem musste sich der Schütze mit drei Talern gleichsam auslösen. Für das Ausscheiden von Offizieren sind die Gründe mehrfach überliefert. So war z.B. im Jahre 1776 die Stelle des Rottmeisters Georg Wilhelm Thiemann frei geworden, weil dieser „diese Zeitlichkeit mit der Ewigkeit verwechselt“ hatte, also gestorben war. Rottmeister Heinrich Bernd Wahle war im Jahre 1790 altershalber verabschiedet worden und Rottmeister Christoph Köhring hatte 1805 wegen Kränklichkeit um seine Entlassung aus dem Schützendienst nachgesucht. Etwas ungewöhnlich war die Begründung des Rottmeisters Melcheor Wedeking, der im Jahre 1778 um seinen Abschied gebeten hatte, weil er „bei letzter Ratswahl bei der Thorwache in Ungelegenheit gekommen “sei. Vielleicht sah er sich den Aufgaben einfach nicht mehr gewachsen. Nicht immer wurde der Abschied durch den Magistrat der Stadt akzeptiert. Als etwa im Jahre 1852 alle Offiziere um ihren Abschied nachsuchten, entschied der Magistrat, „daß nur dem zeitigen Capitain M. Siekmann und dem zeitigen Schäffer Carl Heringlake, welche bereits das 60ste Jahr zurück gelegt haben, nicht aber die übrigen drei Officiere, weil sie durchaus dienstfähig seien, der Abschied erteilt werden könne.“
Auch in der Wahl der neuen Offiziere waren die Schützen zumindest formal nicht frei. So hatten sie für jede freie Stelle drei Kandidaten vorzuschlagen, von denen der Magistrat dann einen auswählte. In der Regel wurde jedoch der erste auf der Vorschlagsliste ernannt, was auf gutes Einvernehmen mit der städtischen Obrigkeit hinweist. Dieser ,gute Draht‘ wurde sicherlich nicht zuletzt dadurch hergestellt, dass viele Offiziere als Rats- oder Magistratsmitglieder selbst zur kleinstädtischen Obrigkeit gehörten.
Die Schützen wurden beim Eintritt in die Compagnie von den Offizieren per Handschlag mit folgendem Text verpflichtet: „Es wird dem jungen Schützenbruder nicht unbekannt sein, daß wir von hiesigem Löblichen Magistrat der Stadt Blomberg als Officiere förmlich der Schützen Compagnie an und vorgestellt worden, weswegen wir dem Schützenbruder folgende Articule vorlesen wollen. Das sie verpflichtet sind, sich als ein Schützenbruder gehörig zu betragen. Auch wenn sie von uns Ofiiciere wie auch von ihrem Rottmeister wozu beordert werden, sich gehorsamlich zeigen und willig in ihren Sachen folgen wollen. Ist dies ihre rechte Willensmeinung, so geben sie uns den schuldigen Handschlag.“
Geld erheben durfte die Compagnie beim Eintritt der Schützen (27 Mariengroschen), bei der Ernennung von Offizieren, beim Austritt der Schützen und als Strafe. Der Rottmeister hatte bei seiner Einführung dem Rott eine Tonne Bier, Pfeifen, Tabak und Branntwein zum Besten zu geben. Die Stadt hatte sich verpflichtet, den Schützen in Jahren mit Ausmarsch 10 Taler und in Jahren ohne Ausmarsch 5 Taler zu geben. Zudem gab sie zu den Gewinnen beim Schützenfest einen Taler und bezahlte auch den Hut für den Schützenkönig.
Die Blomberger Schützencompagnie bestand im 17. und 18. Jahrhundert aus 8 und zeitweise aus 9 Röttern mit jeweils 8 – 12 Mann. Das Offizierscorps bestand aus dem Capitain als Chef, einem Lieutnant, einem Fähnrich und zwei Schäffern. Die aus dem 18. und der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts erhaltenen Mannschaftsverzeichnisse lassen erkennen, dass sich die Rötter aus Nachbarschaften zusammensetzten. So hatte etwa im Jahre 1844 das 2. Rott seinen Schwerpunkt in der mittleren Kuhstraße, das 3. Rott war am Heutor angesiedelt, das 4. in der mittleren Petersilienstraße, das 5. an der Neuen Torstraße, das 6. am Langen Steinweg, das 7. am Niederen Tor und das 8. im Seligen Winkel und am Pideritplatz. Nur die Schützen des l. Rottes wohnten weiter über die Stadt verstreut, allerdings mit einem erkennbaren Schwerpunkt am Kurzen Steinweg.
Dass auf diese nachbarschaftliche Zusammensetzung großen Wert gelegt wurde, zeigt ein Ereignis aus dem Jahre 1777. Als der Rottmeister Arend Presse sein Haus nahe des Neuen Tores (Große Mauerstraße 40) verkaufte und ein anderes in der Petersilienstraße erwarb, stellte der Capitain der Schützen fest: „Also ist er dem Rott vor dem Neuentohr zu weit entfernt.“ Prasse wurde aus seiner Funktion entlassen und Gregorius Schönfeld (Neue Torstraße 14) zum neuen Rottmeister ernannt. Die nachbarschaftliche Zusammensetzung der. Rötter hatte den Vorteil, dass sich die Mitglieder gut kannten, durch Nachbarschaftshilfe an gemeinsames Arbeiten gewöhnt waren und sich im Fall der Alarmierung schnell sammeln konnten. Es liegt nahe, dass im Fall der Stadtverteidigung das jeweils nächstliegende Stadttor oder der nächstliegende Mauerabschnitt zur Verteidigung zugewiesen war.
Geselligkeit und gesellschaftliche Sonderstellung
Während die Schützen auf der einen Seite militärische und polizeiliche Aufgaben wahrzunehmen hatten‚ waren sie auf der anderen Seite auch der Rahmen für gesellschaftliche und festliche Aktivitäten. Neben den am Beruf orientierten Zünften waren es die einzelnen Rötter und die Compagnie insgesamt, die die Bürger berufsübergreifend zu Geselligkeit und zu Festen zusammenführte. Die aus dem 18.]ahrhundert erhaltenen Rechnungen der Schützen-Compagnie geben Hinweise auf die verschiedenen Anlässe, zu denen man zusammenkam, redete, feierte und – so könnte man fast geneigt sein zu sagen – zum Glück auch aß und trank. Denn die Ausgabenposten für Essen und Trinken waren es, die sich in den Rechnungen niederschlugen.
So erfahren wir, dass man sich anlässlich der Ernennung von neuen und der Entlassung von ‚alten‘ Schützen im Hause des Capitains traf und wie etwa im Jahre 1724 für 8 Groschen und 3 Pfennige verunkostete. Das gleiche geschah, wenn ein neuer Rottmeister oder Offizier eingeführt wurde. Der Rottmeister musste dann, wie bereits erwähnt, auch für das Rott ‚ein Faß aufmachen‘. Auch an Himmelfahrt trafen sich die Offiziere regelmäßig im Hause des Capitains, wobei natürlich auch wieder auf Schützenkosten verunkostet bzw. verzehrt wurde.
Gesellschaftlicher Höhepunkt für die Schützen und die Stadt war natürlich der im 18. Jahrhundert mit wenigen Ausnahmen jährlich durchgeführte Ausmarsch. Es war Aufgabe der Schäffer, beim Magistrat die Erlaubnis zum Ausmarsch einzuholen. So fragten auch die Schäffer Friedrich Meyer und Adolph Tappe im Mai 1774 an, „ob ihnen auch der Ausmarsch zum Scheibenschießen erlaubt werden wolle.“ Der Magistrat folgte der Bitte, merkte jedoch an, „daß dieses Jahr das Scheibenschießen zwar gestattet, in Zukunft jedoch nur alle zwey Jahr zu Ersparung der Kosten gehalten werden solle.“ Offensichtlich war die zur ‚Kostendämpfung‘ drängende Finanzschwäche des städtischen Haushalts jedoch nur eine vorübergehende, denn als im Jahr darauf die Schäffer wiederum darum baten, „diesen Pfingsten das gewöhnliche Schießen zu halten“, antwortete der Magistrat: „Da es bisher gebräuchlich gewesen, also wird es auch vor diesmahl dabei belassen.“
Der Ausmarsch aus der Stadt zum Schießplatz erfolgte unter dem Trommelwirbel der Tombadouren. Hier hatte jeder Schütze einen Schuss auf die Scheibe abzugeben. Die Schießergebnisse waren jedoch, ob gewollt oder ungewollt, eher mäßig. So trafen etwa im Jahre 1848 von 154 Schützen nur 13 überhaupt die Scheibe. Schützenkönig wurde in diesem Jahr Ernst Lohmann mit 11 von 12 möglichen Ringen. Und auch im Jahre 1872 trafen lediglich 15 von 178 Schützen die Scheibe. Den Königsschuss gab in diesem Jahre Adolph Sauerländer mit 12 Ringen ab. Dass der Wille zum Königsamt in der Regel aber wohl durchaus vorhanden war, zeigt eine kuriose Begebenheit aus dem Jahre 1779. Da beklagte sich nämlich Christoph Fette beim Magistrat über die Schützenoffiziere, „daß, obgleich er bei letztem Scheibenschießen der hiesigen Schützencompagnie den besten Schuß gehabt, man ihm den ohngedacht (ungeachtet), den Vogel geweiget (habe). Wolle also bitten, ihm den Vogel zuzuerkennen.“ Die Schützenoffiziere aber sagten, „sie hätten dem Kläger den Vogel nicht zubilligen können, weil er ordnungswidrig zwei Kugeln in seiner Büchse geladen, als welches (was) daraus abzunehmen (zu erkennen) sei, weil der Scheibenseher gesagt, der Schuß zwei Löcher gemacht (habe). Nachdem Fette erklärte, „er könne mit gutem Gewissen schwören, daß er keine zwei Kugeln in seine Büchse geladen (habe), willigten die Offiziere ein, Fette den Vogel auszuhändigen. In den Unterlagen ist nicht überliefert, ob überhaupt und wenn wieso zwei Löcher in der Scheibe waren, oder aber ob die Scheibenseher ein Loch doppelt gesehen hatten. Immerhin wurden sie für ihre Tätigkeit auch mit Branntwein entlohnt.
Dass sich Fette so massiv gegen den Vorwurf wehrte, zwei Kugeln geladen zu haben, hat wohl auch seinen Grund darin, dass er vor den Schützen und der Bürgerschaft nicht als Betrüger dastehen wollte. Es hat sicherlich aber auch damit zu tun, dass mit dem Königsschuss Ehre und Anerkennung, aber auch einige Vergünstigungen verbunden waren. Der König war bis zum nächsten Ausmarsch von allen Schützendiensten befreit und musste auch nicht die Umlage entrichten, die alle Schützen zur Finanzierung des Festes zu geben hatten. Deshalb hatte Fette nicht nur verlangt, ihm den Vogel auszuhändigen, sondern auch „diejenige Emolumente (Vorteile) angedeihen zu lassen, die damit verknüpft (sind).“ Zudem erhielt der Schützenkönig einen neuen Hut, der von der Stadt gestiftet wurde. Der zweitbeste Schütze erhielt einen silbernen Löffel und der drittbeste ein Paar schwarze Strümpfe. Zudem wurden Geldgewinne im Gesamtwert von einem Taler ausgeschüttet.
Nach dem Schießen erfolgte der Rückmarsch hinein in die Stadt zum Rathaus, wo bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts der Schützenball stattfand. Der Marktplatz war der Ort, wo die Compagnie und der neue Schützenkönig vom Magistrat offiziell begrüßt und empfangen wurden. Die Schützen feuerten dazu bis zum Jahre 1814 Salut. Dann untersagte die Lippische Regierung diese Freudenschüsse innerhalb der Stadt. Auf dem Rathaussaal wurde dann gefeiert, verzehrt und verunkostet: „Für Bier, so auf dem Rathause verzehrt 1 9 Thaler 20 Groschen; für Pfeiffen und Toback 30 Groschen, 3 Pfennige; für Krengel‚ Kleube (Gebäck) und Zwieback 3 Thaler‚ 19 Groschen, 3 Pfennige; an Officirs Disch (Tisch) verunkostet an Weißbroht und Emder Keese (Käse) 4 Groschen, 3 Pfennige.“ Und natürliche wurde auch zum Tanz aufgespielt, was im Jahre 1792 mit 3 Talern zu Buche schlug.
Zum Schießen auf die Königsscheibe und zu den Festen auf dem Rathaussaal waren allerdings nicht alle Einwohner und nicht einmal alle Bürger, sondern nur die im Schützenverzeichnis eingetragenen Schützen zugelassen. Dass die Schützen diese besondere Stellung durchaus gewahrt wissen wollten, zeigt ein Schreiben aus dem Jahre 1715. Als sie in diesem Jahr beim Bürgermeister um die Erlaubnis zum Ausmarsch nachsuchen, bemängeln sie auch den „eingeschlichenen Mißbrauch bei den Zehrungen“, dass dabei auch Kinder „und andere dahin nicht gehörende Personen anwesend seien. Der Rat der Stadt trat dieser Kritik bei und ließ verlauten, dass er diese „Unordnung gerne abgestellet siehet und dem Zulauf am Rathause bey ehrbaren Versammlungen gesteuert wissen will: So werden die Schützenofficiere hiedurch angewiesen, dahin ernstlich zu sehen, daß zu der Zehr nicht gehörende Leute von Rathause abgewiesen werden. Und daselbst bei der Schützenzehr niemand als (außer) Schützen und etwa eingeladene Gäste sich sehen lassen dürfen.“
Die Jungschützen
Durch die Beschränkung der Anzahl der Schützen auf insgesamt etwa 100 (8 Rötter mit 8 – 12 Mann) war die Mehrheit der männlichen Bevölkerung vorn Königsschießen und dem Fest im Rathaus ausgeschlossen. Und all jene, die das an Haus- und Grundbesitz gebundene Bürgerrecht nicht besaßen, hatten auch nicht die Chance, in die Schützencompagnie aufgenommen zu werden. Die unverheirateten Bürgersöhne bildeten die größte Gruppe, die dadurch von diesem gesellschaftlichen Ereignis ausgeschlossen war.
Vielleicht hatte die strikte Anweisung des Rates aus dem Jahre 1715, alle nicht dazugehörenden von der Zehr abzuweisen, den Anstoß dazu gegeben, dass sich viele unverheiratete Bürgersöhne zur Gründung einer Jungschützencompagnie entschlossen. Im Juni 1720 jedenfalls erhielt der Rat der Stadt ein Schreiben, in dem es hieß, dass „wir junge Gesellen unter uns gern eine Compagnie haben wollen, welche wir auch schon so weit im Stande haben.“ Man bat um Zustimmung zu diesem Vorhaben und darum, „eine gewisse Ordnung herauszugeben, wie sich ein jeder unter uns verhalten soll“, also der Junggesellenkompanie ein Statut zu geben. Weiter heißt es in dem Schreiben recht forsch, man sei „auch wohl gesinnt, diesen Mittwochen aufzuziehen, um nach der Scheibe zu schießen.“ Es ist nicht bekannt, wie der Rat auf dieses überfallartige Schreiben reagierte. Drei Jahre später jedenfalls urkunden und bekennen Bürgermeister und Rat der Stadt Blomberg „demnach (nachdem) Junggesellen und Bürgerkinder bei neulicher Huldigung von uns zum öffentlichen Aufzuge erfordert (gefordert) … ihnen nicht allein zu verstatten, ihre Junggesellencompagnie zu comtinuieren (fortzusetzen), alljährlich einige Male zu exercieren und nach dem Exempel (Beispiel) der Schützen nach der Scheibe zu schießen, sondern auch auf dero Beruff (Ersuchen) ein Reglement zu erteilen.“
Die Junggesellenkompanie sollte aus fünf bis sechs Röttern mit jeweils 12 Mann bestehen. Die Jungschützen mussten das 18. Lebensjahr erreicht haben und zumindest „einigermaßen mit dem Gewehr umgehen“ können. Ihnen wurde der Ausmarsch aus der Stadt „mit klingendem Spiel“ sowie das „Schießen nach der Scheibe“ gestattet. Jedoch sollte das – offenbar um ‚jugendlichem Leichtsinn‘ vorzubeugen – „alles ordentlich ohne Tumult, Lärm und Schaden zugehen, deswegen niemand erlaubt sein soll, außerhalb den gewöhnlichen Platze (dem Schießplatz) und nicht in den Häusern und auf den Gassen zu schießen“. Der Rat hatte aber offensichtlich nicht nur Angst um Sicherheit und Ordnung, sondern auch um die Geldbeutel der Bürger. Anders ist es nicht zu verstehen, dass er den Jungschützen zwar eine Zehr bei den Ausmärschen erlaubte, aber darauf drang, „daß solches auf ihre Kosten und mäßig, so gering als es geschehen kann, damit es deren Eltern nicht zu Last komme.“
Auch wenn der Bürgermeister die Junggesellencompagnie vor allem bei Huldigungen und bei festlichen Anlässen zur Teilnahme forderte, so unterschied sich diese doch insofern grundsätzlich von der Compagnie der ‚alten‘ Schützen, als die ‚junge‘ sich auf dem Prinzip der Freiwilligkeit und nicht der Verpflichtung gründete. Ihnen wurde in der Regel der Ausmarsch und das Schießen nach der Scheibe gestattet und auch der Rathaussaal für die Feier zur Verfügung gestellt, jedoch wie der Bürgermeister im Jahre 1770 ausdrücklich betonte, nur unter der Bedingung, dass man „den anderen Tag solche Lustbarkeit einstellen und ein jeder wieder zu seinen Geschäften schreiten werde.“ Man fürchtete offensichtlich die festliche Ausschweifung und die Vernachlässigung der Arbeit.
Im Jahre 1728 wurde den jungen Schützen ein silberner Vogel verliehen, den der jeweilige Jungschützenkönig tragen durfte. Auf einem Schild, das die Kette mit dem Vogel verband, war die Glücksgöttin Fortuna abgebildet. Am Rand der Plakette befand sich folgende Umschrift: „Wer Fortuna sich ergibet und sich in der Blüt der Jugend stets der edlen Dugent, wirt von jedermann gelibet.“ Mehr als 200 Jahre bildeten die jungen Schützen in Blomberg eine eigene Compagnie und feierten auch ihre eigenen Schützenfeste, bis man nach dem Zweiten Weltkrieg beschloss, alle Schützen in einem Bataillon zu vereinigen. Der Junggesellenkönig wird seither bei dem allgemeinen Schützenfest ausgeschossen.