Nach dem Ersten Weltkrieg waren es offenbar die Junggesellenschützen, die als erstes die Initiative zur Wiederbelebung des Blomberger Schützenfestes ergriffen. Sie treten bereits im Jahre 1920 mit der Bitte an der Magistrat der Stadt heran, „auf Anregung und vielseitigen Wunsch der hiesigen Bürgerschaft … in diesem Jahr ein Schützenfest abzuhalten.“ Dem wurde entsprochen, und so fand im August 1920 das erste Blomberger Schützenfest in der Zeit der Weimarer Republik satt. Natürlich wurde in einer Anzeige besonders darauf hingewiesen, dass es sich um die 200jährige Jubelfeier des Bataillons – der Junggesellenschützen versteht sich – handelte. Das erste Schützenfest der ‚alten‘ Schützen fand im Jahre 1922 statt.
Offensichtlich waren die sogenannten ‚Goldenen 20er Jahre‘ für viele aber gar nicht so golden wie der Begriff verheißt. Die Inflation mit massiver Geldentwertung im Jahre 1923 hatte viele ‚kleine Leute‘ um ihre Ersparnisse gebracht. Auch die ‚feierfreudigen‘ jungen Schützen verzichteten im Jahre 1923 auf ein Schützenfest und im November 1924 veranstalteten sie lediglich einen Ball in der Gastwirtschaft Kaiserhof. Erst 1925 war die Situation wohl wieder so gefestigt, dass sich das Schützenbataillon zur Veranstaltung eines Schützenfestes entschloss. Es blieb aber offensichtlich weiterhin schwierig, die Feste zu finanzieren. Vor allem die Junggesellenschützen blieben des Öfteren auf einem Defizit ‚sitzen‘, das nur durch persönliche Bürgschaften einiger Offiziere und die massive Unterstützung der Stadt beglichen werden konnte. So wiesen die Junggesellenschützen in einem Antrag des Jahres 1930 ausdrücklich auf die schlechten, unübersichtlichen Wirtschaftsverhältnisse und die Not der Zeit hin, durch die sie die Ausrichtung von Schützenfesten gefährdet sahen. Auch wenn in solchen Anträgen immer ein gewisser Zweckpessimismus die Wortwahl mitbestimmt, so signalisiert sie doch die realen Umstände der Zeit. Deutlich werden diese Umstände auch durch die damals bisweilen schwierige Prozedur, den Königsschuss festzustellen. Im Jahre 1925 berichtete der Blomberger Anzeiger, dass man erst nach 20 Uhr in die Stadt zurückkam, um den König zu proklamieren und zwei Jahre später drängte der Ehrenoberst Hornhard darauf, „dem König einen höheren Beitrag zur Bestreitung der Kosten zu bewilligen, damit jeder die Würde annehmen könne und beim Königsschuß tatsächlich gezielt und vielfach nicht absichtlich vorbeigeschossen würde.“
Dennoch ließ man es sich nicht nehmen, im Jahre 1927 ein ganz besonderes Schützenfest zu feiern. Zwei Jahre vorher hatte man nämlich wohl in letzter Sekunde – aber dennoch zu spät festgestellt -, dass man das 350. Jubiläumsfest hätte feiern können. Aber erst als man den Schützenvogel aus dem Tresor nahm, um ihn dem neuen König zu übergeben, erinnerte man sich der Jahreszahl, die der Vogel trägt. 1927 holte man dann das versäumte nach. Eine besondere Attraktion waren die 15 Historiendarstellungen aus der Geschichte Blombergs, die man beim Umzug durch die Stadt zeigte. Mitgeführt wurden unter anderem Darstellungen über den Blomberger Hostiendiebstahl und die Verurteilung der Alheyd Pustkoke, über die Blomberger Klostergründung, die Reformation, die Abhaltung von Landtagen in Blomberg und natürlich auch eine Darstellung über die Verleihung des Schützenvogels an die Blomberger Schützen im Jahre 1576. Zudem wurde bei diesem Schützenfest die gerade neu erbaute und auch heute noch genutzte Schießhalle offiziell an die Schützen übergeben.
Die Zeit der Weimarer Republik (1918 – 1933) war in Deutschland bekanntlich eine Zeit der starken politischen und gesellschaftlichen Auseinandersetzung. ‚Links‘ und ‚Rechts‘, ‚proletarische‘ und ‚bürgerliche‘ Gruppierungen rangen um Macht und gesellschaftlichen Einfluss. Nicht nur die Parteien ließen sich ‚links ‚oder ‚rechts‘ zuordnen, auch die Vereine waren eher proletarisch oder bürgerlich orientiert – und das nicht nur in den Großstädten sondern auch in einer Kleinstadt wie Blomberg. So gab es auch in Blomberg eine Reihe von Vereinen, die eher dem ‚linken‘ Spektrum zuzuordnen sind (‚Freie Sänger‘, Kraftsportverein ,Sportklub‘‚ Theaterverein ‚Thalia‘ und die Fußballvereine ‚Union‘ und ‚Schwarz-Weiß‘) und solche, die man eher dem bürgerlichen Milieu zurechnen muss (Kriegervereine, Rasensportverein, Turnverein, Bürgerliedertafel‚ MGV Harmonie und andere). Die Blomberger Schützen waren von ihrer Mitgliederstruktur her ein milieuübergreifender Verein. Beim Schützenfest konnte der Fabrikarbeiter durchaus neben dem Apotheker und dem selbständigen Handwerker marschieren. In dieser Hinsicht waren die Schützen entsprechend ihrem Anspruch durchaus ein Klassen- und Standesgrenzen überwindender Verein. In anderer Hinsicht spiegelte sich bei den Schützen allerdings sehr deutlich das ‚Oben‘ und ‚Unten‘ der kleinstädtischen Gesellschaft. In den Führungspositionen des Bataillons finden sich fast ausschließlich die ‚Spitzen‘ der Gesellschaft: Handwerksmeister, Fabrikbesitzer‚ Unternehmer, Kaufleute und öffentlich Bedienstete.
Die bei den Festen gehaltenen Ansprachen wurden häufig dazu benutzt, das Wirken des jeweiligen Vereins in einen größeren Zusammenhang und auch in eine historische Tradition zu stellen. Die Festreden im bürgerlichen Milieu waren vor allem durch deutsch-nationales und auch kaisertreues Gedankengut geprägt. Der alles umfassende Bezugsrahmen, in den das eigene Tun gestellt wurde, waren das deutsche Vaterland und nicht selten auch der Kaiser. Die positiv gewertete historische Traditionslinie, die dabei gezogen wurde, reichte von den Kriegen gegen Napoleon über die deutsche Reichsgründung des Jahres 1871 zum Beginn des Ersten Weltkrieges im August 1914. Das Kriegsende wurde als ‚Schmach‘ und ‚Dolchstoß‘ gewertet, der erste deutsche demokratische Staat, die Republik von Weimar, erfährt keine positive Bewertung. Man hoffte vielmehr auf ein ‚Erblühen des deutschen Vaterlandes‘, wenn möglich unter Führung eines Kaisers. Auch die Blomberger Schützenfestreden folgten dieser Denkfigur. So griff Bürgermeister Dr. Bargob bei seiner Schützenfestrede im Juli 1929 auf die antinapoleonischen Kriege des Jahres 1814/ 15 zurück, „in denen – so Bargob – das Joch des französischen Eroberers abgeschüttelt wurde.“ Er charakterisierte die Reichsgründung 1871 als den Moment, in dem Deutschland „zur Einheit, zur Freiheit, zur Größe aufstieg.“ Das alles habe die Blomberger Schützenfahne miterlebt, „und dann hat sie auch noch miterleben müssen den jähen Sturz unseres deutschen Vaterlandes“, womit er das Kriegsende und die Revolution 1918/19 meinte. Um diesen Sturz überwinden zu können, forderte Bargob Klarheit darüber, „daß wir nur, wenn alle zusammengefasst werden, wenn alle zusammenstehen, daß wir nur dann wieder ein freies Deutschland erringen können.“ Die Bürgerschützen, so Bargob weiter, könnten dazu, wenn auch nicht militärisch, so doch in „übertragenem Sinne …. hervorragend beitragen. … Sie bilden ja eine Gemeinschaft, in der jeder, ob hoch oder niedrig, ob alt oder jung, ob reich oder arm aufgenommen ist. So bilden sie gleichsam eine Keimzelle der Einheit, so stellen sie im Kleinen dar eine Einheit und Geschlossenheit, wie wir sie zur Befreiung unseres Vaterlandes so dringend brauchen.“ Für die Zukunft wünschte er: „Möge die Fahne mit uns glücklichen Zeiten entgegengehen möge sie bald wehen in einem freien deutschen Vaterlande.“ Der Bezug auf den Kaiser und das Kaiserreich wurde bei Blomberger Schützenfesten auch im äußeren Erscheinungsbild der Stadt deutlich. Die sozialdemokratisch orientierte lippische Tageszeitung ‚Volksblatt‘ berichtete – wenn auch etwas zugespitzt – so doch sicherlich nicht ohne wahren Gehalt über das Jubiläumsschützenfest des Jahres 1927: „Im übrigen hat auch das diesjährige Schützenfest wieder den Zweifel daran vollauf bestätigt, daß es sich bei Festen dieser Art um Volksfeste handele. Der historische Festzug war sicherlich recht gut. Aber sonst trat an allen Ecken und Enden die wahre Natur der ‚Bürger-Schützen‘ in Erscheinung. Die von den Schützen bewirkte Ausschmückung nahm sich aus, als wenn man nicht bloß einen Schützenkönig erfreuen wollte, sondern als wenn es sich um eine sinnfällige monarchistische Demonstration handelte. Schwarz-weiß-rot (die Fahne des Kaiserreichs) war Trumpf.“
Die Skepsis gegenüber der Republik und der Wunsch nach einem konfliktfreien Nebeneinander von hoch und niedrig, arm und reich ließen vielen Schützen die Machtübernahme der Nationalsozialisten im Januar 1933 als gangbaren Weg aus der Krise erscheinen. Das Schützenfest des Jahres 1933 wurde zum Fest der nationalen Erhebung ernannt, und die Redner ließen keinen Zweifel daran aufkommen, dass sie die aktuelle politische Entwicklung begrüßten. Der Blomberger Anzeiger berichtete: „Nach Einholung des Königs begrüßte der stellvertretende Oberst das Bataillon herzlich und gab seiner Freude Ausdruck über die große Beteiligung. Zur Feier des nationalen Volksfestes sind alle freudig und gern gekommen. Früher Parteigezänk und -hader weht heute ein anderer Geist, seitdem sich der alte und der neue Führer (gemeint sind Reichspräsiden Hindenburg und Adolf Hitler) die Hände gereicht haben, um gemeinsame Arbeit zu leisten. Seit alters her haben auch die Schützenvereine vaterländische Arbeit zu leisten. … Er dankte allen für die Ermöglichung des Festes, der Bürgerschaft für reiche Ausschmückung und Beteiligung. Einig wollen wir sein und unseren Führern die Treue halten. Deutschland und seine Führer, unsere liebe Vaterstadt, sie leben hoch!“ Aus Begeisterung für die beiden ‚Führer‘ wurde dem aus den Reihen der Schützen kommenden Vorschlag, Adolf Hitler ein Grußtelegramm zu schicken, lebhaft zugestimmt. Hitler antwortete: „Für ihre freundlichen Grüße und für die mir in Ihrer Zuschrift zum Ausdruck gebrachte treue Gesinnung spreche ich Ihnen meinen aufrichtigen Dank aus.“ Der Übergang des Blomberger Schützenbataillons in die nationalsozialistischen Verhältnisse und die Gleichschaltung des Vereins geschahen ohne erkennbaren äußeren Zwang. Die im Frühjahr 1933 gewählte Vereinsleitung setzte sich fast ausschließlich aus NSDAP-Mitgliedern zusammen, und auch der Aufforderung des Reichssportführers, sich dem nationalsozialistisch dominierten Deutschen Schießsportverband anzuschließen, kam man in Blomberg innerhalb weniger Wochen nach. Andere Schützenvereine zögerten diesem Beitritt noch mehrere Jahre hinaus.
Nachdem die Blomberger Schützen sich in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts für weite Teile der Bevölkerung geöffnet hatten, waren auch jüdische Bürger in den Verein eingetreten. Vor allem die Mitglieder der Familien Königheim und Lipper sind in den Schützenlisten zu finden. Der am Kurzen Steinweg wohnende Viehhändler Gustav Königheim gehörte mit seiner Frau Else zum Hofstaat des Jahres 1927 und war zwei Jahre später Offizier im 6. Rott. Ab dem Jahre 1933 wird er in den Unterlagen nicht mehr erwähnt. Ob Gustav Königheim förmlich zum Austritt aus dem Schützenbataillon aufgefordert wurde, oder ob er sich angesichts der neuen Verhältnisse ‚freiwillig‘ zurückzog, ist nicht mehr zu klären.
Wenn sich das Blomberger Schützenbataillon 1934 auch relativ schnell dem Deutschen Schießsportverband angeschlossen hatte, so übernahm man doch nicht automatisch dessen Satzung. Diese rückte den Schießsport in den Vordergrund und betonte als Vereinsaufgabe die Wehrhaftmachung des deutschen Volkes. Zudem sah sie für die Vereine die ‚Führerstruktur‘ vor, durch die der ‚Vereinsführer‘ zur entscheidenden Person wurde. Offenbar wollten aber auch die NSDAP-Mitglieder im Blomberger Schützenvorstand den Verein als einen von ihnen und den Mitgliedern weitgehend selbstbestimmten Gesellschaftsbereich erhalten wissen. Man zögerte die Annahme der Einheitsstatuten lange heraus. Erst im Jahre 1940 kam man dem nach. Oberst Brede trat in diesem Zusammenhang zurück.
Dennoch erhielten die Schützenfeste auch in Blomberg in ihrem äußeren Erscheinungsbild und durch die offiziellen Reden eine andere Akzentuierung. Bei der Beflaggung der Stadt dominierte nun die Hakenkreuzfahne und der Dienst im Schützenbataillon wurde jetzt auch als Beitrag zur ‚Wehrhaftmachung‘ gesehen. „Die Schützenfeste sind also darum zu echten Volksfesten geworden, weil der Wille zur Wehrhaftmachung darin einen gewissen Ausdruck findet.“ Zudem wurde die seit alters her gewünschte Gemeinschaft der Schützen nun als ein Beitrag zur Formierung der deutschen Volksgemeinschaft gewertet. Und auch die lokale und regionale NSDAP-Prominenz trat beim Schützenfest nun stärker ins Blickfeld. NSDAP-Kreisleiter Wedderwille war bei den Festen zugegen und ließ sich im Kreis der Offiziere abbilden.
Die Zeit des Nationalsozialismus sah in Blomberg vier Schützenfeste, bei denen ausgelassen gefeiert wurde. Das Bedürfnis, sich zu vergnügen und dem Alltag für wenige Tage zu entrinnen, war auch im Sommer 1939, am Vorabend des Zweiten Weltkrieges, noch ungebrochen. Wenige Wochen später ging mit dem Überfall der deutschen Wehrmacht auf Polen von Deutschland ein Krieg aus, aus dem viele Blomberger, die auch aktiv bei den Schützen gewesen waren, nicht zurückkehren sollten.